Ein von Karl dem Großen ausgestelltes Diplom für Paulinus «vir valde venerabilis e artis grammaticae magister» aus dem Jahr 776 beweist, dass ihn der fränkische Hof bereits damals als vertrauenswürdig und ehrwürdig schätzte. Aus seinem Lebenslauf lässt sich schließen, dass er um 730-740 höchstwahrscheinlich im Friaul in einer italienischen Familie geboren wurde. Seine spätere literarischen und theologischen Schriften zeigen, dass er eine ausgezeichnete rhetorische Ausbildung genossen hatte, die er vielleicht in Cividale und später, im letzten Abschnitt des langobardischen Zeitalters, in Pavia absolvierte. Paulinus trat mit dem Spitznamen „Timotheus“ als einer der ersten jenem Kreis von Gelehrten am fränkischen Hof bei, welche die Bildungs- und Kulturpolitik im karolingischen Zeitalter wesentlich prägten. Sein Aufenthalt in Franken endete, als er wahrscheinlich im Jahr 787 zum Patriarchen von Aquileia ernannt wurde. Das Gebiet des Patriarchats von Aquileia ganz am Rande des fränkischen Reichs in der Nähe der Territorien der noch nicht zum Christentum bekehrten Slawen und Avaren gewann strategisch gesehen zunehmend an Bedeutung. Durch die Ernennung eines vertrauenswürdigen Patriarchen, der die Leitlinien der Kulturpolitik und der Religion der Karolinger kannte, konnte der fränkischen Hof auf die entscheidende Unterstützung zählen, die er brauchte, um dieselbe bereits bei den Sachsen erprobte Politik des Schwertes und des Kreuzes auch bei Avaren und Slawen einzusetzen. Im Jahr 792 nahm Paulinus an der Synode von Regensburg teil und im Jahr 794 war er einer der Protagonisten der Synode von Frankfurt. Nachdem er Pipino 796 in einer neuen Kampagne gegen die Avaren begleitet hatte, nahm er zusammen mit Arnon und anderen Bischöfen an einer Synode an einem nicht näher bestimmten Ort „in ripa Danubii“ teil, bei der verschiedenen Themen in Zusammenhang mit der Evangelisierung der unterworfenen Regionen besprochen wurden.
Ende 796 oder Anfang 797 berief er eine Synode in Cividale ein an der die Suffraganbischöfe von Aquileia teilnahmen; bei diesem Anlass wurden vor allem Themen in Verbindung mit Kirchendisziplin und Heirat behandelt, aber der Patriarch ging auch auf theologische Themen ein. Er starb am 11. Januar 802. Abgesehen von seinen seelsorgerischen Werken und Doktrinen verfasste Paulinus auch ein in Prosa geschriebenes Werk mit dem Titel Liber über die Pflichten und Tugenden der Laizisten, das im Mittelalter sehr erfolgreich war. Zu seinen poetischen Werken zählen verschiedene Hymnen für liturgische Feste, ein Bereich in dem er sich für die allgemeine Verbreitung der römischen Bräuche und Traditionen einsetzte. 799 verfasste er anlässlich des Todes von Erich, dem Markgrafen von Friaul, der bei einem Militärschlag gegen einige slawischen Völker in der Kvarner Bucht ums Leben kam, einen feierlichen Klagegesang. Auch der berühmte Klagegesang De destructione Aquileiae über die Zerstörung der Stadt Aquileia durch die Hunnen könnte von ihm stammen.
Für weitere Informationen wird auf das Stichwort Paolino, patriarca di Aquileia verwiesen, verfasst von Paolo Chiesa in Nuovo Liruti. Dizionario biografico dei Friulani, 1, Il Medioevo, C. Scalon (Hrsg.), Udine, Forum, 2006, 641-650.