Einführung und Beibehaltung des ‘Patriarchentitels’.
Der ‚Patriarchentitel’ wurde ab Mitte des V. Jahrhunderts für die Bischöfe der wichtigsten Sitze der Kirche, unter denen Rom eine besondere Stellung einnahm, eingeführt. In Aquileia scheint die Einführung des Patriarchentitels auf das Ostrogotenreich (493-553), vor dem Beginn des
Dreikapitelstreits, zurückzugehen. Kaiser Justinian beschränkte die juristische Verwendung des Titels 545 auf die fünf Bischofssitze Rom, Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem. Der Metropolitanbischof von Aquileia Macedonius (542-557) und sein Nachfolger
Paulinus (557-569) verwendeten aber auch weiterhin den Patriarchentitel, wie Papst Pelagius I. in einem Brief aus dem Jahr 559 bezeugte. Die auf den Dreikapitelstreit zurückzuführende Isolation führte dazu, dass in Aquileia und Grado del Titel auch weiterhin verwendet wurde und sich zu einem Teil der Tradition entwickelte.
Nach Beilegung des Dreikapitelstreits im Jahr 698 stimmten die Päpste der Beibehaltung des Patriarchentitels zu, der inzwischen in der Westkirche einen rein historischen und ehrenamtlichen Wert hatte und keinerlei mit den Befugnissen Roms vergleichbare Rechtsprechungsansprüche mehr beinhaltete. Der rechtlich-institutionelle Konflikt zwischen Aquileia und Grado blieb jedoch weiterhin bestehen, da beide den Patriarchentitel für sich beanspruchten. Im Frankenreich qualifizierten sich die Metropoliten mit Sitz in Cividale als Patriarchen von Aquileia. Bei der Synode von Mantua wurden sie im Jahr 828 als einzige berechtigte Träger des Patriarchentitels anerkannt und so fühlten sich die Metropoliten Aquileias mit Sitz in Cividale dank der Unterstützung der germanischen Kaiser gegenüber dem Papsttum in ihrem Recht auf den Titel bestätigt. Dementsprechend gewaltsam war auch ihre Opposition gegen das Herzogtum Venedig, die Schutzmacht des Patriarchats von Grado. Gegen 1024 führte Patriarch Poppo, der wieder in Aquileia residierte, einen militärischen Angriff gegen Grado an, der nur der Status einer einfachen Pfarrei zuerkannt wurde, und brandschatzte und plünderte die Reliquien, die er nach Aquileia brachte. Um Kaiser
Konrad II. zufriedenzustellen erklärte Papst Johannes XIX. den Patriarchen von Aquileia zum Oberhaupt und Metropoliten der Kirchenprovinz und zum zweitwichtigsten Würdenträger nach Rom. Trotz der Anerkennung von Grado als «caput et metropolis» der «Venetia et Histria» und der zeitweiligen Deklassierung des Bischofs von Aquileia zu einem einfachen «Foroiuliensis episcopus» durch Papst Leo IX. im Jahr 1053, war es wieder einmal ein Kaiser, Heinrich IV., der 1062 Aquileia als Metropole der Patriarchen mit allen auch für Istrien und den Friaul geltenden Rechte anerkannte; und dank diesem Titel wurde den Patriarchen von Heinrich IV. am 3. April 1077 das Friaul und das ganze Kirchenlehen übertragen.