Die Definition der atlantischen Bibeln wird in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts Forschungsthema; sie beschreibt eine nicht vollkommen klar abgegrenzte Gruppe großformatiger Bibelhandschriften, die auf den Zeitraum Mitte 11. Jahrhundert bis Mitte 12. Jahrhundert datiert werden können. Der Kunsthistoriker Edward B. Garrison erstellte eine detailliertere Klassifikation der großen Gruppe dieser großformatigen Bibeln und erkannte anhand der mit Miniaturen verzierten Initialen eine alte Kerngruppe, die bis spätestens Ende des 11. Jahrhunderts datiert und auf den sogenannten umbrisch-römischen Raum zurückgeführt werden kann und einer jüngeren Gruppe gegenüber steht, die in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts eingeordnet wird und aus Exemplaren besteht, die vermutlich in der Toskana angefertigt wurden. Jedoch erst der Kunsthistoriker Peter H. Brieger stellte eine Beziehung zwischen der ältesten Gruppe der Handschriften mit Rom und den unverhüllten universalistischen Ambitionen der „gregorianischen“ Reformen her. Die beiden, heute im Friaul aufbewahrten atlantischen Bibeln sind ein ausgezeichnetes Beispiel aus der Familie, der sie angehören: beide Handschriften verwenden das größte erhältliche Format für die Anfertigung handgeschriebener Bücher aus Pergament im Mittelalter (und deshalb werden sie atlantische Bibeln und weniger oft Riesenbibeln genannt).
Mit der entscheidenden Wende des 12. Jahrhunderts wird sich die Achse der Buchkultur entschieden am Text und an der Philologie ausrichten, mit einem langsamen und schrittweisen Wegfall der symbolischen Aspekte des Objekts Buch. Das Bibelbuch mit Glosse, dessen Ursprünge in den neu gegründeten städtischen Pariser Schulen zu suchen sind, ist wirklich die revolutionäre Neuheit dieses Jahrhunderts, sowohl hinsichtlich der theoretischen Ausarbeitung als auch hinsichtlich der konkreten Gestaltung. Das Paris des Studiums kann am Ende als das Labor betrachtet werden, das die monolithische Bibel der früh- und vollmittelalterlichen Tradition in einem fließenden und schillernden Textapparat entstehen lassen konnte, der reich an Auslegungs- und Interpretationsinstrumenten war. Zu den vielen und unterschiedlichen Exemplaren der sogenannten Biblia Parisiensis sind auch die beiden in der Biblioteca Guarneriana aufbewahrten Exemplare zu zählen, eine frühzeitige (die Handschrift 248) und eine relativ späte (die Handschrift 284). Die beiden Bibeln der Biblioteca Guarneriana verdeutlichen unter anderem auf hervorragende Weise die Regel, nach der in der Pariser Bibel noch nicht einmal die Verzierung vollkommen individuellen Lösungen überlassen wurde: So verdienten beispielsweise im Psalter nur acht Psalmen mehr oder weniger prachtvoll verzierte Initialen.
Weit von den Lebensnerven der modernen Kultur entfernt, in denen die Bibel gleichzeitig neue kulturelle Kodifikationen und folglich neue Wege der Handschriftenanfertigung fand, blieb die Bibelhandschrift immer ein Luxusgegenstand. Es waren die weltlichen Höfe der Staufer, vor allem die von Friedrich II., von Manfred und von Konradin, die die besten Buchmaler einstellten, um Bibeln von imposanter (das muss durchaus gesagt werden) Optik anfertigen zu lassen. Es ist nicht unwahrscheinlich, auch wenn es weder sicher ist noch belegt werden kann, dass die „byzantinische“ Bibel der Biblioteca Guarneriana (Handschrift 3) zu dieser Prachtkategorie gehört. Nicht weniger Prunk im Hinblick auf das Buchobjekt der Bibel konnten die immer einflussreicheren Kircheninstitutionen der Städte aufbieten, darunter viele Domkapitel, in denen sich die (den Künsten und der Kultur verschriebenen) Höfe von gewisser Bedeutung belebt hatten. Ein vielsagendes Beispiel hierfür ist die fünfbändige Bibel (heute Gorizia, Biblioteca del Seminario, Handschriften 1-5, hier wurde als Muster die Handschrift 4 genommen), die vermutlich in den 80er Jahren des 13. Jahrhunderts für das Kapitel von Aquileia angefertigt wurde.