- Mitte 12. Jh.; Pergament; mm 550 × 320; 1 Blatt.
- Udine, Archivio di Stato, Fragment 237.
Dieses Buchfragment ist ein beredtes Beispiel für das Schicksal, das am Ende vielen großen Bibel widerfuhr: Nicht mehr gebraucht und wegen des Buchdrucks veraltet, wurden sie am Ende zu reinen Pergamentlagern.
Das Udineser Fragment ist das, was von einer großen Bibelhandschrift übrig bleibt (analog zu ähnlichen Handschriften stellen wir sie uns als die übliche große vollständige Bibel in einem Band vor). Auf der Vorderseite wird der letzte Teil des Briefs des Paulus an die Epheser und die Liste der Kapitel des Briefs an die Kolosser überliefert, dessen Wortlaut regulär, wir würden sagen auf einer neuen Seite, in der ersten Spalte der Vorderseite beginnt. Sowohl die Kursivschrift, eine sehr regelmäßige spätkarolingische Schrift, als auch die Auszeichnungsschriften, die einer ehemals römischen Majuskelschrift entnommen zu sein scheinen, und die Ausstattung, die hier durch das große P zu Beginn des Briefs an die Kolosser bezeugt wird, lassen in dieser durch das Fragment belegten Handschrift eines jener Produkte erkennen, die in Nachahmung des Paradigmas der atlantischen Bibeln angefertigt wurden, welche zwischen dem Beginn und dem Ende des 12. Jahrhunderts in weiten Teilen Mittel- und Norditaliens erschienen, mit Spitzenqualität in der Toskana. Auch wenn zur Entstehung und Geschichte dieser verloren gegangenen Handschrift nichts genaueres gesagt werden kann, kann mit mehr Gewissheit etwas zu ihrem Ende angemerkt werden. Ihre Zerstückelung erfolgte nämlich plausibel kurz vor 1574, als das einzige erhaltene Blatt als Einschlag für ein Register verwendet wurde, dessen Überschrift wie folgt lautete: «1574. | Del nobile S. Ascanio Raimondi cameraro | della veneranda Fabrica». Es musste sich also um ein Register der Magistratur des Kardinalvikars der Domfabrik (wahrscheinlich von Udine) gehandelt haben.