Die Handschrift, ein gregorianisches Sakramentar, muss nicht lange nach ihrer Entstehung ins Patriarchat von Aquileia gelangt sein, da auf fol. 72r für die für den 3. September vorgesehene Lithurgie zwischen dem 12. und 13. Jh. die Erinnerung an die aquileiensischen Heiligen Euphemia, Dorothea, Thekla und Erasma hinzugefügt wurde. Nach Venedig gelangt, kam es 1739 von einem Lagerraum im Markusdom in die Markusbibliothek, wo es innerhalb weniger Jahre den neuen Einband erhielt.
Das Sakramentar stammt vermutlich aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts und entstand wahrscheinlich in einer der großen spätottonischen bayerischen Klosterschulen. Handschrift und Ausstattung verweisen besonders auf das Skriptorium des Klosters Tegernsee. Die Initialseite auf purpurfarbenem Grund der Praefatio (fol. 9v) zeigt im Rahmen drei Heiligenfiguren: in der Mitte des oberen Rands das Agnus Dei, unten den hl. Rupert, rechts den hl. Amandus und links den hl. Quirinus, dem das Tegernseer Kloster geweiht ist, wo auch dessen Reliquien aufbewahrt werden. Die gegliederte Struktur des Zierrahmens hat berühmte Vorgänger in Bayern. Die Vereinfachung und Anordnung der Blattelemente im Rahmen ähneln auch wegen der vorwiegend grafischen und zweidimensionalen Gestaltung der Verzierung der zwei Tegernseer Evangeliarien, von denen eines im ausgehenden 11. Jh. und eines um 1120 entstand (München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 23343 und Clm 828).