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1. Das Evangeliarium Forojuliensis

Ein wegen seines Alters und seiner Geschichte außergewöhnliches Buch, das zu Recht als eine Art Emblem des friaulischen Patriarchats betrachtet werden kann.

Die Ereignisse der Kirchenprovinz Aquileia, der Anspruch ihres apostolischen Ursprungs, die von Paulinus von Aquileia und von seinen Nachfolgern betriebene Evangelisierung der slawischen Völker, der Höhepunkt und das Ende des „Staates“ der Patriarchen sind zutiefst mit der Geschichte dieses außergewöhnlichen Buches verbunden, das zu Recht als eine Art Emblem des friaulischen Patriarchats betrachtet werden kann. Das Evangeliarium Forojuliensis wurde vermutlich in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts bei Ravenna verfasst und gelangte um die Mitte des 9. Jahrhunderts ins Friaul. Ursprünglich enthielt es den vollständigen Text der vier Evangelien in der lateinischen Fassung der Vulgata. Die Kirchenprovinz Aquileia nahm das Markusevangelium heraus und zeigte es den Gläubigen zur Verehrung als Autograph des Evangelisten und als Bestätigung einer uralten Tradition, die in Markus, den Schüler des Apostels Petrus, den ersten Verkünder des Evangeliums in der Region sah. Der Volksglauben an ein Markus-Autograph, das in der ehemaligen Hauptstadt von Venetia et Histria aufbewahrt wurde, hatte sich schnell im gesamten lateinischen Westen verbreitet, so dass Kaiser Karl IV., der während seines ersten Italienzugs 1354-55 durch das Friaul kam, seinen Bruder Patriarch Nikolaus von Luxemburg um einige Seiten davon für die Prager Kathedrale bat. Neben der rein religiösen Bedeutung, die in der Geste Karls IV. zu erkennen ist, war das Markus-Autograph in Aquileia «ein wunderbares politisches Argument in einer Zeit, in der sich die Kirchenprovinz Aquileia in starker Auseinandersetzung mit den Mächten in Grado und Venedig befand». Deshalb beschlagnahmten die venezianischen Truppen das Markusevangelium, als sie dem Patriarchenstaat mit ihrem Einfall ein Ende bereiteten. Am 24. Juni 1420 wurde das Evangeliarium in einer feierlichen Zeremonie in den Markusdom überführt. Damit sollte die Unterordnung des Patriarchats von Aquileia unter die Republik Venedig offensichtlich gemacht werden. Das Evangeliarium Forojuliensis hatte im 9. und 10. Jahrhundert vor seiner Zerstückelung nach dem Jahr 1000 auch die Funktion eines Liber vitae erhalten. Auf seinen Seiten wurden Hunderte von Personennamen vermerkt, die aus einem unglaublich großen Gebiet kamen, das von Alemannia bis Bayern, von Karantanien bis Pannonien, von Mähren bis Kroatien und von Bulgarien bis Byzanz reichte, und in Richtung Südosten des Karolingerreiches zogen, insbesondere in Richtung Aquileia. Es sind Namen von Gläubigen und Pilgern, angefangen bei Patriarch Theutmar (851-872), die ihr Leben unter den Schutz der aquileiensischen Märtyrer stellen wollten, die in San Canzian d’Isonzo bei Aquileia verehrt wurden, wo ihr Martyrium stattgefunden hatte (ad aquas gradatas). Es ist ein herausragendes Zeugnis, das die Schuld gegenüber der Missionskirche von Aquileia belegt. Ohne das Markusevangelium wird die Handschrift derzeit in Cividale del Friuli (Museo Archeologico Nazionale. Archivi e Biblioteca, cod. CXXXVIII) aufbewahrt, während die noch existierenden Seiten des Markusevangeliums sich in der Prager Kathedrale und im Domschatz des Markusdoms befinden.

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